
Nun, die Hypothese, dass unsere kursinternen Diskussionen über Medienwirkungsforschung die Agenda der Sonntagszeitung beeinflusst hätten, ist natürlich mehr als gewagt und mit allergrösster Sicherheit von der Hand zu weisen. Evidenter ist jedoch, dass die Zeitung im Soge eines der Hauptereignisse der vergangenen Tage, nämlich der bis jetzt motiv- und absolut sinnlosen Erschiessung einer 16jährigen Lehrtochter durch einen 21jährigen Rekruten, der eben seine Ausbildung abgeschlossen hatte, nebst der gutschweizerischen Diskussion über Armeewaffen in der heimischen Putzkammer auch die (möglicherweise...) schädlichen Auswirkungen von Gewaltspielen thematisieren wollte.
Doch was beeinflusst unser Agenda-Setting, also die Themen, über welche wir tagsüber miteinander kommunizieren, mehr: das durch den gesellschaftlichen Kontext gegebene "Entsetzen" über ein Ereignis oder die durch solche Taten ausgelösten Medienhypes? Halt doch wieder die "Huhn und Ei"-Frage? Oder ein differenzierendes "es kommt halt drauf an"? Fest steht wohl einzig, dass die Massenmedien - längst aber nicht immer nur die! - einerseits als reiner "Sender" (womit wir den Bogen zu Shannon/Weaver schlagen können) oder "Verstärker" dienen, damit wir gewisse Meldungen überhaupt wahrzunehmen ve

Beim Distanzschuss des Rekruten musste ich aber auch an Virilio denken: die tödliche Kugel in unfassbar schneller Bewegung; nur einen Strich, einen Vektor beschreibend; die räumliche Wahrnehmung der durchflogenen Strecke zur Unkenntlichkeit verzerrt; einen "Nichtort" hinter sich lassend und nur einen Wimpernschlag an kostbarster Zeit - wir brauchen keine Raumplanungsämter mehr, sondern ein "Ministerium für Zeitplanung" (Virilio) - verbraucht, der über Tod und Leben entscheidet. Gerade dieses Beispiel mach jedoch deutlich, dass McLuhan wohl eigentlich Recht hat, dass in der Netzgesellschaft sowohl Ort als auch Zeit bedeutungslos werden.
