Eben aus Stuttgart zurückgekehrt, wo ich gestern und heute je einen Halbtag an der Bildungsmesse didacta zugebracht habe, erscheinen meine Erkenntnisse aus dem Modul 3 unseres CAS in einem etwas anderen Lichte. So musste ich feststellen, dass die Anbieter "traditioneller" Medien wie Bücher und Printmedien aller Art sowie der verschiedensten physischen Lernobjekte aus Holz, Stoff oder Kunststoff von Besucherinnen - und auch Besuchern, wobei die Frauen eindeutig in der Überzahl waren (--> der LehrerInnenberuf mutiert immer mehr zum reinen Frauenberuf) - geradezu überschwemmt wurden, während es bei den Verlagen für Lernsoftware sowie Anbietern von Lernplattformen und IT-Lösungen im Schulbereich verhältnissmässig - oder besser "verdächtig"? - ruhig blieb. Dabei dürfte es nicht von der Hand zu weisen sein, dass die an der Messe überwiegend vertretene "mittelalterliche" LehrerInnengeneration beruflich noch ganz anders sozialisiert wurde und dass im Bereich der obligatorischen Weiterbildung für diese Lehrpersonen - hier spreche ich für die "Szene" in der Schweiz, die ich persönlich und als Ehemann einer schulischen Heilpädagogin einigermassen einzuschätzen vermag - nie entsprechend fundierte Programme angeboten wurden. Provokativ könnte man dabei durchaus die Frage stellen, ob die heutigen Kinder nicht von der "falschen" Generation ausgebildet werden... doch existierte diese Problematik zwischen Lehrern und Schülern nicht immer schon? Vermag unser Schulsystem wirklich den Kindern und Jugendlichen die Kompetenzen beizubringen, welche sie für ihre spätere Existenz in dieser Gesellschaft und Arbeitswelt dringend benötigen?
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift didacta, welche an der Messe breit gestreut wurde, findet sich ein Artikel, der von Akzeptanzsteigerung von eLearning (wenn auch im unternehmerischen Umfeld) handelt. Durchaus ein symptomatischer Titel also, der auf den Punkt hinweist, dass bei sehr vielen Menschen - oder gar bei fast allen? - Widerstände gegen eLearning vorhanden sind. Scheinbar "brauchen" wir die Bestätigung eines anderen Menschen, den richtigen sozialen Kontext, um zu lernen. Frappant zu sehen immer bei akut auftauchenden Office-Problem(ch)en im Gemeinschaftsbüro: statt dass sich der Kollege, welcher mit Formatierungsproblemen in Word kämpft, an die integrierte Software-"Hilfe" wendet, wird die Frage in die Bürorunde geworfen, was meist zu amüsanten - aber arbeitseffizienzfressenden - Diskussionen führt. Erklärbar ist dies womöglich durch die Prägung, wie wir als Kleinkind durch unermüdliche Nachahmung unserer Eltern und der Personen unseres Umfeldes "zu lernen lernen". eLearning deshalb ein Holzweg...? Nein, sicherlich nicht, doch wie so oft bei gehypten Entwicklungen sind wir auf dem Boden der Realität angelangt - was gar nicht so schlecht ist, kann und wird sich - davon bin ich überzeugt - eLearning auf dieser Basis nun doch zwar langsamer als gedacht, dafür adäquat und in den "richtigen" Bereichen, etablieren können.
Bezüglich Web 2.0 war's an der didacta noch ruhiger. Für mich erstaunlich, da ich Blogs und Wikis sowohl im Beruf wie auch im privaten Bereich vermehrt einzusetzen versuche und von den Vorteilen sowie Möglichkeiten immer mehr überzeugt bin. So arbeiten wir im medienverbund.phsg mit einem Blog als Kommunikationsinstrument für Aktualitäten, welche alle Mitarbeitenden betreffen; in einer Projektgruppe setzen wir einen Blog zur Projektdokumentation und -kommunikation für externe Projektpartner ein; und privat führe ich einen Fotoblog über unseren neuen Hund. Meist sind auch die Reaktionen auf diese Form der Kommunikation gut und die Akzeptanz scheint mir ein weniger grosses Problem zu sein als beim eLearning. Kurz vor dem Start stehen zudem zwei Wikis für das interne Wissensmanagement sowie im Bereich von Tutorials für unsere Medienwerkstätten.
Etwas weniger überzeugt bin ich vom Nutzen des kollektiven Taggings und von den Folksonomies, was aber in Zusammenhang mit meinem "bibliothekarischen" Hintergrund zu sehen ist. Während ein Tagging für die Datenverwaltung im privaten Bereich oder in kleinen Gruppen durchaus sinnvoll sein kann, so geht der Mehrwert - dies meine These - mit zunehmender "unkontrollierter" Nutzerzahl rapdie zurück, weil die meist zu unspezifischen Tags für die Bewältigung grosser Informationsmengen ungeeignet sind. Hier werden Recherchetreffer zur reinen Glückssache, von der Bewältigung der Informationsflut kann damit keine Rede sein. Ein Versuch übrigens mit einer gemeinsamen Literaturverwaltung, den wir an der HTW Chur aktuell durchführen, kämpft - siehe eLearning - bisher mit Akzeptanzproblemen...
Vielversprechender scheinen mir in diesem Zusammenhang Ansätze zu sein, welche Datenbereiche visualisieren (z.B. in Verbindung mit Topic Maps) und die Beziehungen zwischen Dokumenten aufzeigen. Erwähnt seien etwa Suchmaschinen wie Grokker oder KartOO, deren Konzepte man sich durchaus auch für eine persönliche Datenverwaltung vorstellen kann.
Abschliessend darf man wohl sagen, dass alle unsere Bemühungen in diesen verschiedenen Bereichen (hoffentlich) nur Übergangslösungen sein werden, denn letztlich sind wir doch auf der Suche nach einem Tool, das unsere Leben und unsere Arbeit so ähnlich wie Apple's visionärere Knowledge Navigator unterstützen wird. Spannend wird sein, inwiefern Medienkompetenz oder Medienpädagogik dazumal noch ein "Thema" sein werden bzw. sein müssen...